COVID-19 als Berufskrankheit in den Berichtsjahren 2020 und 2021

Die Daten zum Berufskrankheitengeschehen 2021 liegen vor. Die Anzahl der anerkannten Berufskrankheiten hat sich gegenüber dem Vorjahr mehr als verdreifacht. Dies ist vor allem auf die als Berufskrankheit anerkannten COVID-19-Erkrankungen zurückzuführen.

COVID-19-Erkrankungen als Berufskrankheit

Personen, die infolge ihrer Tätigkeit im Gesundheitsdienst, in der Wohlfahrtspflege oder in einem Laboratorium mit SARS-CoV-2 infiziert werden und deshalb an COVID-19 erkranken, werden von der Berufskrankheiten-Nummer (BK-Nr.) 3101 erfasst. Gleiches gilt für Personengruppen, die bei ihrer versicherten Tätigkeit der Infektionsgefahr in einem ähnlichen Maße besonders ausgesetzt sind. Eine Anerkennung als Berufskrankheit setzt zudem voraus, dass nach einer Infektion mindestens geringfügige klinische Symptome auftreten.[1]

Im Jahr 2020 gingen 30.329 Anzeigen auf Verdacht einer Berufskrankheit in Zusammenhang mit COVID-19 bei den gewerblichen Berufsgenossenschaften und Unfallversicherungsträgern der öffentlichen Hand ein (vgl. Tabelle 1). Diese Anzeigen hatten einen Anteil von knapp 30 Prozent an den insgesamt 106.491 Verdachtsanzeigen zu allen 82 in der Berufskrankheitenliste genannten Berufskrankheiten. Im Jahr 2021 wurden 152.173 Anzeigen in Zusammenhang mit COVID-19 gestellt. Diese machen nunmehr zwei Drittel der Verdachtsanzeigen zu allen Berufskrankheiten aus. Im ersten Halbjahr 2022 lagen den Unfallversicherungsträgern nach vorläufigen Angaben bereits 175.430 Anzeigen in Zusammenhang mit COVID-19 vor – und damit mehr als im gesamten Vorjahr. [2]

Im Jahr 2020 wurden insgesamt 37.181 Berufskrankheiten anerkannt, darunter 18.543 COVID-19-Erkrankungen. Dies entspricht ungefähr der Hälfte der anerkannten Berufskrankheiten. Im Jahr 2021 ist dieser Anteil auf über 80 Prozent gestiegen: Bei 101.855 der insgesamt 123.626 anerkannten Berufskrankheiten handelt es sich um COVID-19-Erkrankungen. Im ersten Halbjahr 2022 wurden nach vorläufigen Angaben bereits 75.341 COVID-19-Erkrankungen als BK-Nr. 3101 anerkannt.[3]

Im Jahr 2020 wurden zwölf neue BK-Renten bezüglich COVID-19-Erkrankungen gewährt; im Jahr 2021 waren es 75 neue BK-Renten. An den Folgen einer als Berufskrankheit anerkannten COVID-19-Erkrankung sind 14 versicherte Personen im Jahr 2020 und 72 im Jahr 2021 verstorben.

Zu den 195.739 seit Pandemiebeginn bis einschließlich 30. Juni 2022 als Berufskrankheit anerkannten COVID-19-Erkrankungen kommen unter Berücksichtigung der vorläufigen Angaben aus dem laufenden Jahr 20.436 Versicherungsfälle aus dem Bereich der Arbeitsunfälle und 12.496 aus dem Bereich der Schulunfälle hinzu.[4]

Verdachtsanzeigen und Anerkennungen in den Jahren 2020 und 2021 | © Quelle: DGUV Referat Statistik
Tabelle 1: Verdachtsanzeigen und Anerkennungen in den Jahren 2020 und 2021 ©Quelle: DGUV Referat Statistik

Post- beziehungsweise Long-COVID

Insgesamt wurde in knapp drei Prozent der in den Jahren 2020 und 2021 als BK-Nr. 3101 anerkannten COVID-19-Erkrankungen die Diagnose „Long beziehungsweise Post-COVID-19-Zustand“ dokumentiert.[5]Eine Erfassung der Diagnose „Long- beziehungsweise Post-COVID-19-Zustand“ in der laufenden Bearbeitung der Fälle war nicht möglich, da lange Zeit noch keine allgemeingültige Definition der Begrifflichkeiten existierte; die „S1-Leitlinie Post-COVID/Long-COVID" [6] wurde mit Stand vom 12. Juli 2021 erstmals veröffentlicht. Um dennoch eine Aussage zum Anteil der Long- beziehungsweise Post-COVID-Fälle für die Jahre 2020 und 2021 treffen zu können, haben die Unfallversicherungsträger diese Fälle retrospektiv anhand geeigneter Kriterien ermittelt. Die retrospektive Ermittlung ist jedoch mit Unsicherheiten behaftet. Zur Identifikation der Long- oder Post-COVID-Fälle wurde beispielsweise die Höhe der Kosten für die medizinische Rehabilitation herangezogen. Dabei ist unter anderem der Zeitverzug bei der Rechnungsstellung zu berücksichtigen. Zudem ist das Kriterium der Kostenhöhe eher geeignet, Post- als Long-COVID-Fälle zu identifizieren. Es ist daher davon auszugehen, dass Long-COVID-Fälle untererfasst sind.

Leistungen der gesetzlichen Unfallversicherung

Bis Ende 2021 haben die gewerblichen Berufsgenossenschaften und Unfallversicherungsträger der öffentlichen Hand insgesamt rund 87,6 Millionen Euro für Leistungen der Rehabilitation und für Rentenleistungen in Zusammenhang mit COVID-19 als Berufskrankheit erbracht. Der weit überwiegende Anteil (98 Prozent) dieser Ausgaben entfällt auf Leistungen der medizinischen Behandlung und Rehabilitation. Dazu zählen neben der ambulanten und stationären Heilbehandlung auch das Verletztengeld sowie die entsprechenden Sozialversicherungsbeiträge (vgl. Tabelle 2).

Tabelle 2: Kosten in Millionen Euro für die medizinische Rehabilitation in Zusammenhang mit COVID-19 als Berufskrankheit in den Jahren 2020 und 2021 | © Quelle: DGUV Referat Statistik
Tabelle 2: Kosten in Millionen Euro für die medizinische Rehabilitation in Zusammenhang mit COVID-19 als Berufskrankheit in den Jahren 2020 und 2021 ©Quelle: DGUV Referat Statistik

[7]

Der Anteil der ambulanten Heilbehandlung an den gesamten Leistungsaufwendungen für medizinische Behandlung und Rehabilitation war im Jahr 2020 mit zehn Prozent geringfügig höher als im Jahr 2021 mit acht Prozent. Der Anteil für stationäre Behandlungen lag im Jahr 2020 bei 53 Prozent und ist im Jahr 2021 auf 35 Prozent gesunken. Im fast gleichen Maß ist der Anteil des Verletztengeldes inklusive der Sozialversicherungsbeiträge gestiegen (von 34 auf 54 Prozent). Die Anzahl der Fälle, bei denen Kosten für eine stationäre Behandlung angefallen sind, ist von gut 300 Fällen im Jahr 2020 auf knapp 3.000 Fälle im Jahr 2021 gestiegen. Hier ist jedoch wiederum der Zeitverzug bei der Rechnungsstellung zu berücksichtigen, wonach oftmals gegen Jahresende erbrachte Leistungen erst im Folgejahr abgerechnet werden. Die Anzahl der Fälle, in denen Verletztengeld gezahlt wurde, ist mit rund 3.800 Fällen im Jahr 2021 über 14 Mal höher als im Vorjahr.

Die durchschnittlichen Kosten pro Fall pro Jahr seit Pandemiebeginn bis Ende 2021 liegen für eine stationäre Behandlung bei rund 9.500 Euro, die durchschnittlichen Kosten für Verletztengeld (ohne Sozialversicherungsbeiträge) bei 7.950 Euro. Werden nur die Fälle berücksichtigt, in denen die Diagnose Long- beziehungsweise Post-COVID dokumentiert wurde, steigen die durchschnittlichen Kosten pro Fall für eine stationäre Behandlung oder für Verletztengeld (ohne Sozialversicherungsbeiträge) jeweils auf über 12.000 Euro. Auch die durchschnittlichen Kosten für eine ambulante Heilbehandlung sind in diesen Fällen deutlich höher.

In 87 Fällen wurden bis Ende 2021 Leistungen an Hinterbliebene in Höhe von insgesamt rund 1,5 Millionen Euro erbracht.

Abbildung 1: Anerkannte Berufskrankheiten COVID-19 in den Jahren 2020 und 2021 nach zuerst meldender Stelle | © Quelle: DGUV Referat Statistik
Abbildung 1: Anerkannte Berufskrankheiten COVID-19 in den Jahren 2020 und 2021 nach zuerst meldender Stelle ©Quelle: DGUV Referat Statistik

Anerkennungen: Wer hat sich wo infiziert?

Im Jahr 2020 entfielen rund zwei Drittel der Anerkennungen von COVID-19-Erkrankungen als Berufskrankheit auf die Berufsgenossenschaft für Gesundheitsdienst und Wohlfahrtspflege (BGW) und rund ein Drittel auf die Unfallversicherungsträger der öffentlichen Hand. [8] Im Jahr 2021 lag das Verhältnis bei 73 zu 26 Prozent. Aufgrund des im Tatbestand der BK-Nr. 3101[9] definierten Personenkreises erfolgten darüber hinaus in beiden Jahren zusammen nur 849 Anerkennungen bei den anderen gewerblichen Berufsgenossenschaften.

Am häufigsten wurden die Verdachtsanzeigen, die zu einer Anerkennung von COVID-19 als Berufskrankheit geführt haben, von Unternehmen sowie von Ärztinnen und Ärzten erstattet (vgl. Abbildung 1). Der Anteil der Anzeigen von Unternehmen ist von 56 Prozent im Jahr 2020 auf 68 Prozent im Jahr 2021 gestiegen. Gleichzeitig ist der Anteil der ärztlichen Meldungen von 42 auf 27 Prozent gesunken. Der Anteil der Meldungen durch die Krankenkassen liegt 2021 bei drei Prozent.

Rund 80 Prozent der versicherten Personen mit einer Anerkennung sind weiblich. Dies korrespondiert mit der in den betroffenen Wirtschaftszweigen bestehenden Geschlechterverteilung unter den Beschäftigten.[10]

Die Verteilung auf die Altersgruppen zum Zeitpunkt der Anerkennung ist in Abbildung 2 dargestellt. Die Struktur der Altersverteilung ist in den Jahren 2020 und 2021 ähnlich. Da eine Anerkennung als BK-Nr. 3101 eine versicherte Tätigkeit voraussetzt, sind deutlich häufiger jüngere Personen im Vergleich zur Gesamtbevölkerung, wie sie das Robert Koch-Institut (RKI) [11] für 2020 und 2021 dokumentiert, betroffen. Der Anteil der versicherten Personen, die zum Zeitpunkt der Anerkennung mindestens 65 Jahre alt sind, liegt bei zwei Prozent. In der Gesamtbevölkerung haben die COVID-19-Fälle in dieser Altersgruppe einen Anteil von 13 Prozent.

Abbildung 2: Anerkannte Berufskrankheiten COVID-19 in den Jahren 2020 und 2021 nach dem Alter im Jahr der Anerkennung | © Quelle: DGUV Referat Statistik
Abbildung 2: Anerkannte Berufskrankheiten COVID-19 in den Jahren 2020 und 2021 nach dem Alter im Jahr der Anerkennung ©Quelle: DGUV Referat Statistik

Knapp 60 Prozent der Unternehmen, in denen die Infektion stattgefunden hat, haben 500 und mehr abhängig beschäftigte Vollarbeiter[12] (vgl. Abbildung 3).

Abbildung 3: Anerkannte Berufskrankheiten COVID-19 in den Jahren 2020 und 2021 nach Betriebsgrößenklasse des Unternehmens | © Quelle: DGUV Referat Statistik
Abbildung 3: Anerkannte Berufskrankheiten COVID-19 in den Jahren 2020 und 2021 nach Betriebsgrößenklasse des Unternehmens ©Quelle: DGUV Referat Statistik

Abbildung 4 enthält die Differenzierung nach dem Bundesland des Sitzes des Unternehmens. Die vier demnach am stärksten betroffenen Bundesländer entsprechen den vier Bundesländern, in denen nach Angaben des RKI[13]bis Ende 2021 die kumulierten Fallzahlen am höchsten waren.

Abbildung 4: Anerkannte Berufskrankheiten COVID-19 in den Jahren 2020 und 2021 nach Bundesland des Sitzes des Unternehmens | © Quelle: DGUV Referat Statistik
Abbildung 4: Anerkannte Berufskrankheiten COVID-19 in den Jahren 2020 und 2021 nach Bundesland des Sitzes des Unternehmens ©Quelle: DGUV Referat Statistik

Die Infektionen haben überwiegend in Unternehmen der Wirtschaftszweige „Gesundheitsdienst“ und „Heime (ohne Erholungs- und Ferienheime)“ stattgefunden. [14] Dies spiegelt sich auch in den am häufigsten zum Zeitpunkt der Infektion ausgeübten Tätigkeiten wider:

  • Assistenzberufe im Gesundheitswesen – wie die nicht akademische Krankenpflege (61 Prozent)
  • Betreuungsberufe – wie Pflegehelferinnen und Pflegehelfer sowie Kinderbetreuung (18 Prozent)
  • akademische und verwandte Gesundheitsberufe – wie Ärztinnen und Ärzte sowie akademische Krankenpflege (zehn Prozent)

Zu den elf Prozent übrigen Tätigkeiten zählen zum Beispiel andere personenbezogene Dienstleistungen und Reinigungstätigkeiten.